Komme aus Afrika - Der Rhodesian Ridgeback
von Dr. Ute Blaschke-Berthold, erschienen in "Wuff - das Hundemagazin" - 7-8/05
In manchen Gegenden des deutsch-sprachigen Raumes gehört der Rhodesian Ridgeback - im Folgenden auch kurz RR genannt - schon fast zum alltäglichen Strassenbild, und so mancher hundefreundliche Passant weiss den auffallenden Hund einzuordnen. Nach einem kurzen Blick auf den Rücken des Hundes folgt unweigerlich der Kommentar: „Ach, das ist doch einer von diesen afrikanischen Hunden!“.
Die Zeiten der Exklusivität sind allerdings vorbei, der ehemalige „Rolls Royce unter den Hunden“ hat - um bei diesem Bild zu bleiben - die Rolle eines soliden Mittelklassewagens bekommen. Es ist heute auch nicht mehr schwer, Informationen über diese Hunderasse zu erhalten: Mehrere Rassemonografien in Buchform, Videos, zahlreiche Beiträge in Hundezeitschriften, mehrere Zuchtvereine innerhalb und ausserhalb der FCI und vor allem Hunderte von Seiten im Internet versorgen den interessierten Hundefreund mit den Informationen, die er für seine Entscheidungsfindung braucht oder unbedingt lesen möchte, falls er sich für einen RR entschieden hat. Der Standard Der Rassestandard des RR ist - wie jeder andere auch - die Beschreibung eines Idealbildes. Er beschreibt nicht, was real ist, sondern ist Ausdruck menschlichen Wunschdenkens. An bestimmten Rassen interessierte Menschen klammern sich geradezu sklavisch an den Standard und die daraus abgeleitete Rassebeschreibung, um herauszufinden, ob dieser Hund für sie geeignet ist oder nicht. Vergessen wird dabei vollkommen, dass nicht nur das Äußere der Hunde einer Rasse variiert, sondern auch die Reaktionsnorm des Verhaltens. Es herrscht die Meinung vor, dass man sich mehr um Körperbautyp und Farbe Gedanken machen sollte als um Verhalten. Schliesslich wird der Hund mit seiner Farbe geboren, sein Verhalten aber ist noch ein „weisses Blatt“, welches nach Belieben beschrieben werden kann. Und so erleben wir erschreckt, dass sich Interessenten für die Rasse RR alleine aufgrund des Aeusseren entscheiden und glauben, durch eine „richtige“ Erziehung den passenden Hund formen zu können. Viele Interessenten dieser Rasse lesen über die Wesenseigenschaften und finden, dass dieser Hund zu ihnen passt: Eine hohe Reizschwelle, zurückhaltend, würdevoll, ohne Scheu und Aggression. Dieses aber ist eine Beschreibung des Rhodesians, wie er sein sollte - und nicht, wie er ist. Das ist ein grosser Unterschied, der z.T. sicher die rasant ansteigende Zahl der wieder abgegebenen Rhodesians erklärt. Im Detail nachzulesen ist der FCI-Standard Nr. 146 des RR auf der Website www.rhodesian-ridgeback.org. Der Ridge gilt als unverwechselbares Rassekennzeichen. Allerdings ist er nicht ausschliesslich auf den RR beschränkt. In Asien sind ebenfalls Hunde mit einem Ridge zu finden: europäische Quellen beschreiben diese Hunde der Insel Phu Quoc im Golf von Thailand erstmals zum Ende des 19. Jahrhunderts hin. „Spätreife“ Rasse Spätreif, das klingt gut. Spätreif, das bedeutet, dass der Hund sich über einen langen Zeitraum entwickelt. Spätreife Hunde überraschen ihre Besitzer bis zum 3. Lebensjahr mit neuen Reaktionen auf altbekannte Situationen. Wegen dieser Spätreife bedarf auch ein bereits ausgewachsener Rhodesian der sorgfältigen Führung. Damit ist nicht Führung im Sinne eines Leitwolfes gemeint, sondern eher Führung im Sinne eines Fremdenführers. Wir geleiten unseren Hund durch eine Welt, an die er nur schlecht angepasst ist. Diese schlechte Passung hat Fehlentscheidungen des Hundes zur Folge, was dann als „unerwünschtes Verhalten“ bezeichnet wird. In unserer Gesellschaft gibt es nicht besonders viel Spielraum für unpassende Entscheidungen eines Hundes! Der Rhodesian ist ein grosser Hund, der durch seine Farbe, kurzes Fell und auffallende Bemuskelung nicht in den Genuss des Plüschtierbonus kommt. Ein Jogger, der von einem Rhodesian ausgebremst und gestellt wird, hat allen Grund zu Schreck und Empörung. Unpassendes Verhalten von Anfang an vermeiden ist die sicherste Strategie für den menschlichen Begleiter eines Rhodesians - und zwar während der gesamten Reifezeit! Spätreif, vielleicht klingt das doch nicht so gut, denn es bedeutet eine lange Zeit der Aufmerksamkeit und der Geduld. Die jagdlichen Facetten des Verhaltens erscheinen bei Rhodesians recht spät. So mancher Halter klopfte sich schon selbst auf die Schulter, weil sein junger Hund nur hinter Wild herschaute, drei Monate später stand er dann alleine im Wald - das Jagdverhalten des Hundes reifte spät.„ Wer passt zum Ridgeback? Mit einem RR zu leben bedeutet, die ersten drei Lebensjahre des Hundes sein Verhalten in Bezug auf fremde Menschen, fremde Hunde und Wild zu beobachten und ruhig in passendere Bahnen zu lenken. Viel Arbeit an der langen Leine ist nötig, zu viel Freiraum bietet zu viele Möglichkeiten für unpassendes Verhalten. Interessant sind Diskussionen, für welchen Menschen nun „der“ Rhodesian Ridgeback geeignet ist. Dabei werden die Menschen kurz und knapp in zwei Kategorien eingeteilt: Ersthundbesitzer, sog. Anfänger, und Erfahrene und Fortgeschrittene. Mit dieser Zweiteilung kommt man aber nicht zu einer hilfreichen Aussage, weil es gerade die unwichtigen Aspekte menschlicher Persönlichkeit betont. Ein Hund wird sich nur dort wohl fühlen, wo die Menschen zufrieden mit ihm sind. Wer Freude daran hat, über einen langen Zeitraum hinweg Entwicklungshilfe zu leisten, einen Hund wohlwollend und gelassen zu führen, anstatt ihn mal schnell zu unterdrücken, der wird auch die Eigenschaften eines Rhodesian als Bereicherung für sein Leben empfinden. Wer sein Leben durch eine pflegeleichte, elegante Erscheinung bereichern möchte, die ansonsten aber nicht unangenehm auffallen sollte, wer sich durch seinen Alltag bereits überfordert fühlt und einen lebendigen Ausgleich dazu sucht, der sollte bitte Abstand vom Rhodesian Ridgeback nehmen. Und ganz besonders sollten diejenigen verzichten, die ausgesprochen harmoniebedürftig sind und es nicht ertragen könnten, dass ihr Hund nicht jeden anderen Hund mag. Enttäuschungen für beide Seiten sind vorprogrammiert. Hundehalter im Allgemeinen und Menschen für einen Rhodesian Ridgeback im Besonderen sollten einfühlsam sein, weil diese Hunde nach wie vor Fremde in der modernen Menschenwelt sind. Sie sollten sehr geduldig sein, weil Lernen viel Zeit braucht. Und sie sollten gerecht sein, weil jeder Hund das Produkt aus Genetik, Erfahrung und Umwelt ist - nichts davon hat er sich ausgesucht! Menschen mit diesen Eigenschaften finden sich sowohl unter den Ersthundehaltern als auch unter den sog. Erfahrenen. |
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